Verfaßt am Dienstag, 24.06.1997, 04:45 Uhr morgens.
Wilfried hat sich zurückgezogen
und ist nicht mehr der Mensch, der er vorher war. Er redet wenig und kramt mit
merkwürdigen Dingen herum, die ich so nicht kenne.
Da meine Wohnung an einer Hauptstraße
unserer Stadt liegt, sehe ich Wilfried des öfteren zwischen 24:00 Uhr und 04:00
Uhr morgens an meiner Wohnung
vorbeigehen.
Ich habe noch immer einen leichten
Schlaf und werde drei oder viermal die Woche nach Mitternacht wach. Ich stelle
mich dann ans Fenster und schaue hinaus.
Und dabei sehe ich dann Wilfried.
Entweder steht er an der Ecke gegenüber, manchmal fast eine Stunde oder sogar
zwei Stunden lang, oder er geht die Hauptstraße auf und ab.
Und noch etwas anderes ist mir
aufgefallen:
Den Job im Spieleladen vom Wilfried
habe ich noch, und seltsamerweise kommt ein Mann etwa zwei bis dreimal die
Woche in den Laden, ein Mann, den ich nicht kenne. Er ist mir unheimlich und
ich gehe ihm aus dem Weg.
Wilfried und ich sprechen nicht über
diesen Mann, ich bin zwar neugierig, halte mich aber zurück. Da ist eine innere
Hemmschwelle diesen Mann betreffend, die ich nicht überwinden kann: irgendwie
wage ich es nicht, Wilfried nach diesem Mann zu fragen, fast fürchte ich mich.
Wenn ich andere Leute (Kunden) nach
dem Mann befrage, sagen auch sie mir, daß sie ihn nicht kennen.
Wilfried läßt diesen Mann in sein
Büro, wo sie dann beide oft für ein oder zwei Stunden bleiben, aber nicht
länger, dann geht der Mann wieder.
Dieser Mann hat mich noch nicht ein
einziges Mal angesprochen. Wenn er an mir vorbeigeht, geschieht dies stumm,
aber ich bemerke, daß er nach einem
Gewürz riecht, ich glaube, Zimt.
Einmal vergaß Wilfried, die Tür des
Büros richtig ins Schloß zu ziehen, und ich habe ein paar Worte aufgeschnappt.
Der Mann sagte zu Wilfried (sinngemäß,
den genauen Wortlaut kann ich nicht rekonstruieren): "Panuel grüßt dich
und sendet dir dieses Paket."
Dann mußte ich einen Kunden bedienen,
außerdem hatte ich plötzlich große Angst, und so entfernte ich mich von der
Tür, so daß ich nichts mehr mitbekam.
Seit gestern beschäftigt sich
Wilfried sehr intensiv mit dem Inhalt des Paketes, jedenfalls denke ich das,
denn er kommt aus seinem Büro fast nicht mehr heraus. Außerdem sehe ich ihn
manchmal, wie er da im Stuhl hinter dem Schreibtisch sitzt und vor sich
hinplappert wie ein Schwachsinniger.
Wilfried ist so unkonzentriert, daß
er immer wieder vergißt, sein Büro abzuschließen, und so bin ich hinein.
Auf seinem Schreibtisch sah ich es
dann: da steht etwas, das wie eine silberne Schüssel aussieht, oben abgedeckt
mit einem dunklen Glas, und in dem Rahmen, der dieses Glas umschließt, sind
zwölf kleine Kugeln eingelassen.
Neben dieser Schüssel liegt ein
Sternenatlas, und es ist mir völlig schleierhaft, was Wilfried damit will, denn
soviel ich weiß, hat er sich nie für derartige Dinge interessiert.
Wilfried weiß aber, daß ich weiß, was
da auf seinem Schreibtisch liegt (das heißt, ich weiß, wie die Dinge aussehen,
aber nicht, was sie bedeuten), denn er hat mich in seinem Büro erwischt. Ich
hatte Angst, aber merkwürdiger Weise war er sehr freundlich zu mir und schickte
mich lediglich nach Hause, da er den Laden etwas früher schließen wolle.
Was geht da vor?
Ich weiß, daß dieser Bericht mehr
Fragen aufwirft als Antworten gibt, aber bitte haben Sie Verständnis dafür, daß
ich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr darüber sagen kann.
Ich schlafe
schlecht, und dieser Wilfried hat sich merkwürdig verändert. Mir wird das bald
alles zuviel. Die Veränderung, die ihm widerfährt, verspüre ich so nicht bei
mir, obwohl doch auch ich in ein so unerklärliches Ereignis hineingezogen
worden bin, wie in den Berichten oben beschrieben.
Wilfried verändert sich, daran gibt
es keinen Zweifel, auf eine Weise, die mich sehr beunruhigt.
Ich, Dirk, habe Ähnliches erlebt wie
Wilfried. Mein Erlebnis hat mich erschüttert und ich suche nach Antworten, aber
ich verändere mich nicht auf jene Besorgnis erregende Weise wie Wilfried.
Und ich laufe - jedenfalls derzeit -
noch nicht Gefahr, in eine Art Wahnsinn zu verfallen wie dieser Wilfried. Wäre
es anders, hätte meine Frau dies sicherlich schon registriert.
Was bedeutet das?
Für Ihre Unterstützung wäre ich Ihnen
sehr dankbar.
Hiermit bestätige ich, Dirk, die Wahrhaftigkeit meines Berichtes mit meiner Unterschrift:
Autor: B. Freytag
www.berndfreytag.de/kontakt/03DirkAnhang.htm